Am 06.11.2021 war ich in Dresden auf dem (der ;-)) PentaCon*, dem diesjährigen Jahrescon des Science Fiction Club Deutschland (SFCD). Anlass war die Verleihung des DSFP 2021.

Der Deutsche Science Fiction Preis wird jedes Jahr vom SFCD in den Kategorien „Bester Roman“ und „Beste Kurzgeschichte“ vergeben. Ausgewählt werden die Werke von einer Jury aus derzeit etwa 10 Personen, die nicht Mitglied im SFCD sein müssen. (Die Jury freut sich immer über Freiwillige, die sie unterstützen mögen!)

Seit Andreas Eschbach den Preis vor einigen Jahren gewann – es ist einer der wenigen mit einer Geldprämie dotierten Genre-Literaturpreise – besteht die Auszeichnung aus einer Medaille, da er sein Preisgeld dafür stiftete.

Wagners Stimme war bereits für den Kurd-Laßwitz-Preis nominiert gewesen, landete aber eher auf den hinteren Plätzen. So witzelte ich denn unlängst in einem Interview, dass ich nicht davon ausginge zur Preisverleihung fahren zu müssen, was gut sei, da ich am Vorabend eine Lesung in Saarbrücken habe. Tja, so kann man sich irren.

So hieß es denn am Samstag nach der TOTENSCHEIN-Lesung früh aufstehen und mit wenig Schlaf die weite Reise nach Dresden antreten – von Saarbrücken aus gesehen so ziemlich am anderen Ende der Republik. Kurz vor dem Ziel sorgte dann eine Vollsperrung auf der A4 für Aufregung, denn der bislang entspannte Zeitplan geriet ins Wanken. Eilig kontaktierte ich einige Bekannte auf dem Con über Facebook und Twitter-Direktnachrichten, so dass die Preisverleihung etwas umgestellt wurde (die Verleihung des Preises für den besten Roman an Sven Haupt wurde vorgezogen). Gehetzt platzten wir dann in den guten gefüllten Veranstaltungsraum und ich konnte Laudatio und Preisverleihung gar nicht so recht verarbeiten.

Die Augen vor Ehrfurcht geschlossen. 😉

Trotzdem war es schön, auf einem klassischen Con zu sein. Familiär und freundlich, ein bisschen so wie ich es aus den 1990ern kannte, mit netten Gesprächen und trotz meiner langen „GAFIA“-Phase dem ein oder anderen noch bekannten Gesicht. Weitere Highlights waren die Lesung von Theresa Hannig und die Dokumentation über Science-Fiction-Filme der DDR.

Wagners Geburt

„Geboren“ wurde Wagners Stimme 2019 in Stuttgart, und zwar bei einem Vortrag auf der Tagung NEXT FRONTIERS–Applied Fiction Days. (Anthologiekollege Andreas Eschbach war dort übrigens als Gastredner eingeladen.)
Am Rande erwähnte einer der Vortragenden ein Projekt des Deutschen Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz (DFKI): Design Adaptiver Ambienter Notifikationsumgebungen (DAAN).

Kurz gesagt geht es dabei um ein lernfähiges System, das die Gewohnheiten eines Menschen studiert, um bei abnehmender geistiger Leistung (z. B. bei Demenz) Hilfestellungen im Alltag zu geben.

In der Diskussion fiel der Begriff „digitaler Klon“, und spätestens da begannen sich die Räder in meinem Kopf zu drehen. Kann eine digitale Kopie unsere Persönlichkeit im Falle einer Demenzerkrankung schützen? Denn ist es nicht unsere größte Angst, nicht mehr „Ich“ zu sein?

Bedeutet das aber im Umkehrschluss, dass es nur ein „Ich“ vor der Demenz gibt, und wenn ja, was – oder wer – sind wir danach? Im Juni 2020 berichtete DIE ZEIT über den Fall einer Niederländerin, die für den Fall einer Demenzerkrankung Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollte, aber ihre Meinung änderte als es soweit war. Getötet wurde sie trotzdem. Zugegeben, ein besonders heikles Beispiel, das aber die Frage aufwirft, ob Demenzkranke aufhören, Persönlichkeiten zu sein, die sich ändern und entwickeln können. Und was bedeutet es, wenn wir KI-Systeme entwickeln, die unsere Wünsche lernen, aber nur zu einem Zeitpunkt vor der Demenz?

Wagners Weg

Seitdem wurde Wagners Stimme vertont, in einem Podcast diskutiert, und inspirierte zu einem berührenden Blog-Beitrag. Die Geschichte wurde ins Rumänische übersetzt und wird ins Ukrainische übertragen; Übersetzungen in zwei oder drei weitere Sprachen sind in Vorbereitung.

Ich gestehe, das hätte ich nicht erwartet, als ich im Frühjahr 2020 eine traurige kleine Geschichte schrieb. Unabhängig davon, ob es um meine Erzählung geht oder nicht, freut es mich, dass in der deutschen Genre-Literaturlandschaft auch einmal über eine Kurzgeschichte geredet wird und eben nicht nur über Romane. Ich habe es bereits mehrfach gesagt, und werde nicht müde, es wieder zu betonen: Dass die deutschsprachige Szene hier ein großes Defizit hat, tut ihr nicht gut.

Schamlose Werbung

Wagners Stimme kann man kostenlos bei Tor-Online nachlesen, oder aber natürlich die Anthologie WIE KÜNSTLICH IST INTELLIGENZ? kaufen. Am besten im fairen Shop der Autorenwelt. Und wenn es unbedingt bei AMAZON sein soll, dann vielleicht über diesen Link. Ich erhalte dann eine kleine Provision.


*Der Con oder die Con? Im deutschen SF-Fandom alter Schule ist häufig die Rede vom „dem“ Con, während die später dazu gekommenen Media-Fans, Rollenspiel-Fans, etc meistens „die“ Con sagen.
Aber es heißt doch „die Convention“! Die Jungen haben also Recht, möchte man meinen. Ja, schon… ABER… mit dem englischen Begriff „Convention“ ist in dem Zusammenhang eher der deutsche „Konvent“ gemeint und nicht die „Konvention“, also die Zusammenkunft und nicht die Übereinkunft. So ein echtes richtig oder falsch gibt es hier also nicht. 🙂